Das Recht auf Unerreichbarkeit in der Freizeit
zurück zur ÜbersichtIn seiner Freizeit hat jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin das Recht darauf unerreichbar zu sein! Es besteht keine Verpflichtung in der Freizeit eine Mitteilung des Arbeitgebers entgegenzunehmen.
Dieser eigentlich bereits lang bestehende Grundsatz wurde nun vom LAG Schleswig-Holstein (Az.: 1 Sa 39 öD/22) erneut bestätigt.
Im konkreten Fall hatte sich das LAG unter anderem mit der Frage zu befassen, ob ein nach Dienstplan Beschäftigter verpflichtet ist, auch an seinem freien Tag zu schauen, ob der Arbeitgeber den Dienstplan für den auf einen freien Arbeitstag folgenden Tag geändert hat.
Die Änderung erfolgte hierbei so kurzfristig, dass sie dem Beschäftigten noch während seines freien Tages mitgeteilt werden sollte. Der Arbeitgeber versuchte daraufhin vergeblich den Beschäftigten telefonisch und per SMS zu erreichen. Auch den im Internet veröffentlichten neuen Dienstplan schaute der Mitarbeiter nicht an.
Der Arbeitgeber erteilte dem Beschäftigten dann eine Abmahnung, weil er nicht rechtzeitig zum Dienst erschien, gegen diese klagte der Mitarbeiter.
In den Entscheidungsgründen des Urteils führen die Richter aus, dass grundsätzlich keine MitarbeiterIn verpflichtet ist, sich in seiner Freizeit zu erkundigen, ob sein Dienstplan geändert wurde. Das LAG begründet dies wie folgt:
„In seiner Freizeit steht dem Kläger dieses Recht auf Unerreichbarkeit zu. Freizeit zeichnet sich gerade dadurch aus, dass Arbeitnehmer/innen in diesem Zeitraum den Arbeitgeber/innen nicht zur Verfügung stehen müssen und selbstbestimmt entscheiden können, wie und wo sie diese Freizeit verbringen. In dieser Zeit müssen sie gerade nicht fremdnützig tätig sein und sind nicht Bestandteil einer fremdbestimmten arbeitsrechtlichen Organisationseinheit und fungieren nicht als Arbeitskraft. Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht“.
Im Kern geht es um die einfache Frage, was in der heutigen Zeit der Digitalisierung gerne vergessen wird: Eine empfangsbedürftige Willenserklärung wird erst mit ihrem Zugang wirksam. Denn wenn der Arbeitgeber den Dienstplan ändert, dann kann die Änderung für die betroffenen MitarbeiterInnen nur dann verbindlich werden, wenn diese über die Änderung auch informiert sind. Mit der Änderung des Dienstplans übt der Arbeitgeber gegenüber dem Mitarbeiter sein Direktionsrecht aus, diese Weisung muss dem Mitarbeiter aber auch zugehen. Für die Fälle der Information in Abwesenheit gilt, dass der Zugang dann anzunehmen ist, wenn der Arbeitgeber unter normalen Umständen mit der tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Mitarbeiter rechnen darf. Ein/e MitarbeiterIn hat aber in seiner Freizeit das Recht, für den Arbeitgeber unerreichbar zu sein und muss nicht mit einer Kontaktaufnahme durch den Arbeitgeber rechnen, sodass dieser auch nicht davon ausgehen kann, dass eine Kenntnisnahme erfolgt.
Das Fazit des LAG: Nimmt der Arbeitnehmer eine Information (hier über eine Dienstplanänderung) nicht zur Kenntnis, geht ihm diese erst bei Dienstbeginn und nicht bereits in seiner Freizeit zu.
Die Entscheidung stellt auch klar, dass es sich beim Lesen einer Nachricht, die vom Arbeitgeber stammt, oder wenn sich der Mitarbeiter im Internet oder Intranet z.B. über Zeit und Ort des nächsten Dienstes informiert, um Arbeitszeit handelt. Der Mitarbeiter handelt damit ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers, der die ordnungsgemäße Organisation seiner Arbeitsabläufe durch eine sachgemäße Personalplanung gewährleisten muss.
Arbeit wird auch nicht deswegen zur Freizeit, weil sie nur in zeitlich ganz geringfügigem Umfang anfällt oder weil die SMS zu lesen nur einen Moment dauert.
Schutzzweck ist klar die Gewährleistung des Gesundheitsschutzes der Mitarbeiter sowie der individuelle Persönlichkeitsschutz.