Neues EUGH- Urteil schränkt kirchliches Selbstbestimmungsrecht ein
zurück zur ÜbersichtDer Europäische Gerichtshof (EuGH) sieht in der Kündigung des Chefarztes einer katholischen Klinik wegen Wiederheirat eine mögliche Diskriminierung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte den EuGH angerufen u.a. mit der Bitte zu prüfen, ob gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie verstoßen wird. Im Ausgangsfall muss nun das BAG unter Beachtung der Entscheidung des EuGH prüfen, ob tatsächlich eine Diskriminierung vorliegt (Urteil vom 11.09.2018, Rechtssache C-68/17).
Seit dem Jahr 2000 regelt die Gleichbehandlungsrahmen-Richtlinie die allgemeine Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Im Kern bedeutet dies: Niemand darf aufgrund des Geschlechts, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Geburt diskriminiert werden.
Die Kirchen ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb des für alle geltenden Gesetzes (Art. 140 Grundgesetz). Dieses kirchliche Selbstbestimmungsrecht sieht eine weitgehende Selbstverwaltung der Kirchen vor. Deshalb haben die Kirchen ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht und können ihren Beschäftigten bestimmte Vorschriften machen – etwa, welchem Glauben sie angehören. Dieses kirchliche Recht ist voll gerichtlich überprüfbar.
Bereits im April hatte der EuGH in einem anderen Fall (Rechtssache Nr. C-414/16) geurteilt, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nicht bei jeder Stelle gilt – das heißt, kirchliche Arbeitgeber (in diesem Fall die evangelische Kirche) dürfen nicht pauschal von all ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine bestimmte Religionszugehörigkeit als berufliche Anforderung bei der Einstellung fordern. Die europäischen Richterinnen und Richter waren der Meinung, dass eine Glaubensrichtung nur dann zur Bedingung gemacht werden dürfe, wenn das für die Tätigkeit absolut und objektiv geboten sei.
Nun kommt diese weitergehende Einschränkung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts hinsichtlich der Loyalitätsanforderungen bei arbeitgeberseitigen Kündigungen hinzu. Zwar dürfen Kirchen ganz grundsätzlich ihren Mitarbeitern gewisse Loyalitätspflichten abfordern. Aber eben nur, soweit das für die Art der Tätigkeit wirklich notwendig ist. Der EuGH sagt: Mitarbeiter dürfen nur dann unterschiedlich behandelt werden, wenn das für die religiöse Einrichtung wesentlich, rechtmäßig und unbedingt notwendig ist. Wer mit Glaubensfragen befasst ist, wer am Verkündigungsauftrag mitwirkt, wer die Kirche nach außen vertritt, der darf strengeren Anforderungen unterworfen werden, auch bei Ehe und Scheidung. Für die Leitung der Abteilung "Innere Medizin" als Chefarzt hingegen, erscheint die Akzeptanz dieses Eheverständnisses für die Bekundung des Ethos nicht notwendig. Die Arbeit leide nicht, wenn man ein zweites Mal heiratet. Dies zeige sich schon daran, dass eben auch evangelische Chefärzte angestellt wurden, bei denen eine zweite Ehe toleriert wurde.
Dieses Urteil hat auch Auswirkungen auf unsere Landeskirche in Württemberg. Sie wird ihre Regelungen wie z.B. § 34 Abs.4 KAO auf den Prüfstand stellen müssen.